6. Oktober 2020
Wie können Unternehmen Daten nutzen, um bessere Entscheidungen zu treffen?
Netflix hat sein Imperium vollständig auf Daten aufgebaut. Der Erfolg basiert dabei auf Film-Empfehlungen für die Kunden, welche auf Basis von Daten zu ihren persönlichen Präferenzen getroffen werden können. Nach Unternehmensangaben werden 80 Prozent der Filme aufgrund von diesen Empfehlungen gesehen. Diese ständige, erfolgreiche Empfehlung neuer interessanter Filme hält Kunden davon ab, Netflix zu verlassen und hat dem Unternehmen zu dem enormen Wachstum verholfen.
Aber auch in anderen Unternehmen helfen Daten, bessere Entscheidungen zu treffen und erfolgreich Geschäfte zu machen. Nachfolgend wird anhand von zwei Beispielen veranschaulicht, wie Unternehmen durch Daten von einem besseren Verständnis ihrer Kunden profitieren und somit bessere Entscheidungen treffen können.
Der erste Fall zeigt, wie durch Daten das Risiko im Innovationsprozess gemildert werden kann. Der zweite zeigt, wie Daten genutzt werden können, um die Wirksamkeit von Werbeanzeigen zu erhöhen. Zum Abschluss des Artikels wird eine Reflexion über die Herausforderungen bei der Implementierung eines datengestützten Entscheidungsprozesses präsentiert.
Mit Daten das Risikopotential im Innovationsprozess minimieren
Unternehmen müssen im Innovationsprozess auf die richtigen Ideen setzen. Eine Fehlentscheidung für die falsche Innovation– gerade in späteren, reifen Phasen – kann gravierende Folgen haben. Anhand des Konzepts «Alchemie» wird nachfolgend gezeigt, wie Daten Unternehmen helfen können, bessere Entscheidungen im Innovationsprozess treffen zu können.
Alchemie ist die Suche nach dem «Elixier der Unsterblichkeit, die Umwandlung von Grundstoffe in Gold und die Erlangung höchster Weisheit.» Übertragen auf die Geschäftswelt bedeutet Alchemie, Daten in wertvolle Informationen umzuwandeln, um den Unternehmen das nötige Wissen zu liefern um ihre Innovationen zu steuern und damit langfristig auf dem Markt erfolgreich zu sein. Wie der Alchemie-Ansatz in diesem Kontext funktioniert, soll anhand des folgenden Beispiels erklärt werden:
Ein Buchladen möchte sein Angebot erneuern und seinen Kunden einen Mehrwert bieten. Die Idee für ein Abo-Modell steht im Raum: Dem Kunden wird jeden Monat automatisch ein Buch, basierend auf Rezensionen und seinen persönlichen Lieblingsbücher, zugestellt.
Die traditionelle Herangehensweise wäre nun: Die Idee wird von den Entscheidungsträgern diskutiert und entscheidet aufgrund des Bauchgefühls: Ja, wir wollen sie umsetzen. Mit dem Bauchentscheid wird das Risiko eingegangen, Umsetzungsressourcen für eine Idee einzusetzen, die möglicherweise keinen Wert für den Kunden und letztlich auch das Unternehmen generiert.
Die Vorgehensweise mit dem Alchemie-Ansatz sieht anders aus: Die Idee wird auf dem schnellstmöglichen und effizientesten Weg getestet, bevor sie ggf. in aller Breite und Tiefe umgesetzt wird. Es geht dabei nicht zwangsläufig darum, ein neues Geschäftsmodell auf einen Schlag zu validieren, sondern einzelne Fragenstellungen durch datenkontrollierte Experimente zu beantworten.
Um die neue Geschäftsidee zu bewerten wurden im Beispiel des Buchladens 500 Kunden per E-Mail angeschrieben. Durch Web Analytics wurden die Reaktionen auf die Nachrichten gemessen. Das Experiment zeigte, dass die E-Mail von 300 Empfängern geöffnet wurde. Wie die nachfolgende Graphik zeigt, wird auch jeder weitere Schritt in der User Journey – das Hinterlegen von Kundendaten auf der Webseite und das Abschicken eines Web-Formulars – gemessen und analysiert. Nach der Durchführung des Alchemie-Ansatz kann das Management eine datenbasierte Entscheidung für oder gegen die Lancierung des neuen Geschäftsmodells treffen.
Mit Daten zielgerichtete Werbung aussteuern
Ein anderes Beispiel, wie Daten Unternehmen zu besseren Entscheidungen verhelfen können, kommt aus dem Bereich des Marketings. Im klassischen Marketing mussten Manager aufgrund ihrer persönlichen Einschätzung entscheiden, welche Werbung für Kunden relevant sein könnte. Hierbei kannten sie weder die einzelnen Kunden im Detail, noch hatten sie die Möglichkeit, jedem einzelnen Kunden individualisierte Werbung anzuzeigen.
Im digitalen Zeitalter kann durch sogenannte «Recommender-Systeme» Werbung sehr viel zielgerichteter ausgesteuert werden. Hierbei werden zunächst Daten über den Kunden gesammelt. Dies können bei internetbasierten Recommender-Systemen beispielsweise Daten aus sozialen Netzwerken, das Nutzerverhalten auf einer Webseite oder das bisheriges Einkaufsverhalten des Kundens sein. Diese Daten werden mithilfe von Algorithmen so bearbeitet, damit als Ergebnis eine kundenindividuelle Produktempfehlung vorliegt. Somit werden nicht nur in Echtzeit Entscheidungen auf Grundlage von Daten getroffen, sondern die getroffene Entscheidung werden auch in Echtzeit automatisiert operationalisiert.
Ursprünglich wurden Recommender-Systeme vor allem im E-Commerce eingesetzt. Jedoch kommen durch den technischen Fortschritt immer neue Einsatzmöglichkeiten hinzu. Eine (noch) etwas futuristische Möglichkeit, Recommender-Systeme einzusetzen, entsteht im Bereich der individualisierten Aussteuerung von Aussenwerbung. Wo heutzutage noch ein statisches Plakat hängt, könnte bald schon intelligente digitale Werbefläche verbaut sein. Diese erkennt anhand von Bilderkennung vor der Werbefläche stehende Personen, clustert diese in Gruppen und spielt entsprechend Cluster-relevante Werbeanzeigen aus.
Herausforderungen
Bei all den vielen Möglichkeiten sollten jedoch auch die Herausforderungen im datenbasierten Entscheidungsprozess berücksichtigt werden. Im Folgenden werden drei solcher Herausforderungen beispielhaft vorgestellt:
Oftmals werden die Ergebnisse datenbasierter Experimente von Entscheidungsträgern Frage gestellt. Menschen sind vielfach der Überzeugung, aus jahrelanger Erfahrung bessere Entscheidungen über die Zukunft treffen zu können, als dies auf Basis von Daten möglich ist. Hier gilt es, Überzeugungsarbeit innerhalb des Unternehmens zu leisten, um datenkontrollierte Entscheidungsprozesse zu etablieren.
Eine weitere Herausforderung sind rechtliche sowie ethische Fragstellungen im Umgang mit den Daten. Dabei schränken zunächst einmal die rechtlichen Bestimmungen den Rahmen ein, wie Daten verwendet werden dürfen. Innerhalb dieses Rahmens, müssen Unternehmen dann individuell entscheiden, wie der Umgang mit Daten aus ethischer Sicht definiert werden soll. Basierend auf diesen Überlegungen kann dann definiert werden, an welchen Stellen im Unternehmen datenbasierte Entscheidungen getroffen werden sollen und an welchen nicht.
Zuletzt darf auch die Komplexität, welche die vorhandene IT-Infrastruktur mit sich bringt, nicht unterschätzt werden. Hierfür gilt es, das Datenmanagement gut zu betreiben und Auswertungsmodelle aufzusetzen, um Entscheidungsfehler aufgrund von falschen oder veralteten Daten zu vermeiden.
Fazit
Das «bessere» und schnellere Treffen der richtigen Entscheidungen wird in allen Branchen und Abteilungsbereichen immer wichtiger. Dieser Beitrag hat zwei Beispiele vorgestellt, wie Entscheidungen im Bereich von Geschäftsmodellinnovation und Marketing mithilfe von Daten «besser» getroffen werden können.
Die Liste an Möglichkeiten für datenbasierte Entscheide ist jedoch nahezu unendlich. Auch wenn es gewisse Herausforderungen gibt, sollte sich jedes Unternehmen mit der Frage beschäftigen, wie es datenbasierte Entscheidungen treffen kann. Es empfiehlt sich hierbei, mit ersten konkreten Experimenten im kleinen Rahmen erste Erfahrungen zu machen.
Autoren:
Stefan Weymann arbeitet als Senior Consultant bei der Unternehmensberatung mm1 und treibt dort das Thema datengetriebene Geschäftsmodelle und künstliche Intelligenz (AI) voran. Er entwickelt dabei Ansätze, wie Unternehmen aus Daten gewonnene Informationen zur Produkt- und Geschäftsentwicklung nutzen können. Zudem ist er Dozent an der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) für Informationssysteme und Internet of Things.
Paolo Del Ponte hat mehrere Startups gegründet und mitgegründet, in denen Daten immer eine entscheidende Rolle spielten. Datengetriebene Entscheidungsprozesse, unterstützt durch AI-Technologien wie Multi-Korrelationsmodelle, sind der Bereich, in dem er als Senior Consultant für mm1 Schweiz tätig ist.
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