30. November 2023
«Wichtig ist, dass sich Arbeitgeber:innen überlegen, wofür sie stehen»
«Wichtig ist, dass sich Arbeitgeber:innen überlegen, wofür sie stehen»
Modernste Bürolandschaften, attraktive Fringe Benefits, bekannte Arbeitgebermarke: Wie sollen KMU im Wettbewerb um die besten ICT-Fachkräfte mit namhaften Grossunternehmen mithalten?
Klein- wie auch Grossunternehmen, müssen sich fragen «Was ist für die ICT-Berufszielgruppe wichtig?» Wir werden im Engadin Ergebnisse einer Studie präsentieren, die untersucht, welche Faktoren die Arbeitgeberattraktivität erhöhen. Beispielsweise sind Freiräume wichtig, um eigene Ideen und Lösungen zu entwickeln, aber auch ein interessantes Arbeitsumfeld, wo die neuesten Technologien verwendet werden. Und ganz wichtig: ein Grossteil der befragten Arbeitnehmenden will spüren, dass eine Firma innovativ, dynamisch und unternehmerisch agiert. Diese Aufzählung zeigt, dass es nicht auf die Unternehmensgrösse ankommt. Wichtig ist vielmehr, zu definieren, wofür die eigene Arbeitgebermarke steht und die eigenen Vorzüge in der Kommunikation aktiv zu bewerben und der Zielgruppe bekannt zu machen.
Wo machen KMUs am besten auf ihre Arbeitgeber-Vorzüge bekannt?
Es gibt ganz viele Kontaktpunkte, an denen sich Arbeitgebende mit wenigen Kosten präsentieren können: Stellenanzeigen, die Karriereseite auf der eigenen Webseite, Arbeitgeberbewertungsportale. Darüber hinaus können kleinere Firmen digitale Kampagnen über LinkedIn oder Google Ads lancieren. Es braucht keine Unsummen dafür. Jedem KMU ist es möglich zu kommunizieren, wofür es als Arbeitgeber steht. Ich rate den Firmen zunächst, die klassischen Kontaktpunkte wie die eigene Karrierseite, Stellenanzeigen oder der Auftritt auf Jobportalen anzuschauen. Eine Stellenausschreibung vor einem grauen Hintergrund ohne Bildwelt und Informationen zur Arbeitgebermarke, findet vielfach nicht mehr statt. Stellensuchende sollen an diesen Kontaktpunkten erfahren, welche Vorteile ein Unternehmen ihnen bietet. So kann das gewünschte Arbeitgeberimage abgebildet werden.
Was ist ihr Rezept? Verraten Sie uns doch bitte drei Zutaten für ein erfolgreiches Employer Branding.
Als erstes braucht es eine strategische Fundierung. Dafür braucht es nicht ellenlange Konzepte. Wichtig ist, dass sich Arbeitgeber:innen überlegen, wofür sie stehen. Diese Definition ist die Grundvoraussetzung für die Kommunikation. Dann gilt es zu definieren, über welche Kanäle diese Botschaft nach aussen kommuniziert wird. Der dritte Schritt ist, die Mitarbeitenden als Botschafter für das eigene Employer Branding zu gewinnen. Oft geht vergessen, dass die Mitarbeitenden eine hohe Reichweite über Social Media haben und diese genutzt werden kann. Das ist eine einfache und kostengünstige Massnahme. Immer mehr Unternehmen nutzen sie und setzen eigene Mitabeitende als «Corporate Influencern» ein. So entsteht kostenlose Reichweite über LinkedIn und andere Kanäle, die vielleicht die zusätzlichen, werblichen Massnahmen unterstützt.
In unserer Studie haben wir auch gefragt, welche Kanäle am meisten genutzt werden, um sich über potenzielle Arbeitgeber zu informieren. Am wichtigsten ist das persönliche Netzwerk, also Freunde und Bekannte. An zweiter Stelle folgt die Karriereseite des Unternehmens. An dritter Stelle – und aus meiner Sicht klar unterschätzt – wurde LinkedIn zusammen mit den klassischen Jobportalen und Arbeitgeberbewertungportale genannt. ICT-Professionals weisen eine überdurchschnittliche Nutzungsrate von Portalen wie kununu auf. Auf diesen Portalen stehen viele negative Bewertungen, weil niemand über die positiven Dinge schreibt. Das könnte firmenintern ein bisschen angeregt werden. Wichtig ist, dass nicht die Marketingabteilung die Bewertung verfasst, sondern Mitarbeitende persönlich-authentische Bewertungen schreiben.
Wie wird Employer Branding nachhaltig genutzt?
Employer Branding ist ein wichtiges Instrument in der Rekrutierungsphase. Wie kann dieses Instrument nach der erfolgreichen Stellenbesetzung nachhaltig genutzt werden?
Grundsätzlich spielt bei der Anwerbung der Kandidat:innen die Kommunikation eine wichtige Rolle. Sind die Angestellten erstmal im Unternehmen, treten die klassischen Kommunikationsmassnahmen in den Hintergrund. Es ist wichtig, dass Arbeitgeber:innen die Kommunikation mit den Mitarbeitenden nicht vernachlässigen. Das ist in erster Linie ein Führungsthema. Kommuniziert ein Unternehmen beispielsweise, es sei dynamisch und unternehmerisch, die Angestellten die Führungskraft aber nicht als dynamisch oder unternehmerisch wahrnehmen, dann entsteht eine Dissonanz. Beim Mitarbeitenden kann der Eindruck entstehen, es sei nicht authentisch oder das Kommunizierte entspreche nicht der Unternehmenskultur.
Am Event mit miaEngiadina und rockt! sprechen wir unter anderem über Remote Work. Dies da, wo es potenziell ausgeübt wird – in den Bergen. Was braucht es, damit von Arbeitgeberseite eben dieses Arbeitsmodell unterstützt wird?
Remote Work ist gerade bei der Rekrutierung von Fachkräften ein Thema, mit dem man sich differenzieren kann. Flexible Arbeitszeiten oder die Möglichkeit zum Homeoffice hat inzwischen fast jede Firma. Mit dem Modell Remote Work oder auch Workation fällt man ein Stück weit auf. Für viele Unternehmen ist es jedoch ein Problem, dass die Prozesse dazu noch nicht etabliert sind. Wie ist Remote Work zu organisieren? Wie müssen die Anträge aussehen? Wie sind Haftungsfragen geklärt? Wie viel Zeit verbringt der Mitarbeitende im Ausland? Das sind die heute noch zu klärenden Fragen. Momentan ist der administrative Aufwand für Unternehmen bei diesem Thema noch recht gross. In Zukunft wird es sicherlich Drittanbieter geben, die die Unternehmen bei solchen Prozessen unterstützen.
Ein anderer wichtiger Punkt ist natürlich, ob Workation und ähnliche Formate zur Firmenkultur passen. Letzten Endes sollte es nur eingeführt werden, wenn es zur Kultur passt. Ist dies nicht der Fall, werden Workations eventuell kaum genutzt und einzelne Mitarbeitende, die diesen Benefit nutzen, ziehen das Misstrauen der Kollegn auf sich.
Welche Argumente sollten Arbeitnehmende im Diskurs ums ortsunabhängige Arbeiten ins Spiel bringen?
Am besten erklärt man dem Arbeitgeber authentisch, wieso dies aus persönlicher Sicht eine geeignete Lösung ist und inwiefern diese zur eigenen Motivation beiträgt. Eine gute Möglichkeit ist auch, ein solches Modell auf Probe auszuprobieren. Nach einem Monat kann von beiden Seiten evaluiert werden, wie es funktioniert hat und ob alle Seiten zufrieden sind.
Zur Person
Benjamin von Walter ist Professor für Marketing und leitet das Kompetenzzentrum Marketing am Institut für Strategie und Marketing der Ostschweizer Fachhochschule (OST). Er beschäftigt sich schwerpunktmässig mit Dienstleistungsmarketing und Employer Branding. Am Event «Workation trifft Employer Branding» von miaEngiadina, <IT>rockt! St. Gallen und swissICT referiert Benjamin von Walter über die Erfolgsfaktoren von Employer Branding.
Zum Event
«Workation trifft Employer Branding» wird von miaEngiadina, <IT>rockt! und swissICT veranstaltet und findet vom 17. bis 18. Januar 2024 in La Punt Chamues-ch statt. Detaillierte Informationen und Anmeldemöglichkeiten finden Sie hier.
Das Interview führte die swissICT-Redaktion.