15. August 2022
Klug schlägt dumm: Wie verändert sich die moderne Produktion?
Die Digitalisierungsintensität innerhalb eines Produktionsunternehmens ist ungleich verteilt. Die Finanzabteilung verfügt in den meisten Fällen über moderne digitale Tools, da sie die traditionelle Rolle des Käufers und des Benutzers einnimmt. Auch die Verkaufs- und Marketingabteilungen erhalten in der Regel digitale Tools an die Hand, mit denen sie den Arbeitsalltag meistern und die Innovation des Unternehmens fördern.
Anders sieht es in der Produktion aus. Denn gerade die Implementierung digitaler Tools in der Produktionshalle führt zu erheblichen Anfangsinvestitionen und dauert mehrere Jahre. Ausserdem löst sie oft einen kulturellen Wandel innerhalb der Belegschaft aus, der zu einschneidenden Veränderungen führt. In puncto Digitalisierung wird die Produktion seit längerer Zeit als eine Art letzte Bastion angesehen.
Viel Potenzial in der Produktion
Als Leiter:in der Produktion oder der Lieferkette hatte man in der Vergangenheit nicht die Möglichkeit, die digitale Zukunft seines Unternehmens auf strategischer Ebene mitzugestalten. Digitale Tools wie ERP- oder MES-Systeme wurden am häufigsten im Büro der C-Stufe verkauft. Das obere Management gab es in einem nächsten Schritt in die Produktion zur Umsetzung weiter.
Dass die Produktion nicht nur die Marktpositionierung und die Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch die Gewinnstruktur und die finanzielle Stabilität eines Unternehmens prägt, gerät gerne in Vergessenheit. Das, was in der Produktionshalle passiert, bestimmt nicht nur die Aktivitäten der Vertriebs- und Marketingteams, sondern des gesamten Unternehmens. Nicht umgekehrt. Deshalb müssen die Marktbedürfnisse, wie höhere Flexibilität oder tiefere Kosten, in den Prozessen auf der Produktionsfläche abgebildet sein.
In Umbruchsstimmung
Zum Glück bewegt sich die Produktion immer mehr in Richtung Digitalisierung und Innovation. Dazu gibt es heutzutage mehr neue Technologien als in den letzten 35 Jahren. Während die Produktion in der Vergangenheit durch die Prozessoptimierung, wie z.B. Lean Manufacturing, geprägt war, kommen aktuell solche Themen, wie Analytik, Internet der Dinge, künstliche Intelligenz, additive Fertigung, sowie generell alle Ausprägungen der Automatisierung zum Einsatz.
Diese Themen werden immer mehr durch die Benutzer selbst als durch das Management gesteuert. Sie werden beispielsweise von Prozessingenieuren und nicht mehr von Seiten CIO oder CTO geleitet. Die Einbindung vom Management in die Entscheidungsprozesse bleibt weiterhin stark. Als Produktionsleiter:in ist man jedoch nicht mehr «nur» Empfänger:in, sondern man wird in die Entscheidungs- und Mitgestaltungsphase vollumfänglich integriert.
Neue Geschäftsmodelle anstossen
Die Innovation in der Produktionshalle ist noch keine durchgängige oder flächendeckende Erscheinung, aber sie wird stets präsenter. Immer mehr Produktionsunternehmen kombinieren die Automatisierung, die künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge, um ihre Arbeitsweise grundlegend zu verändern. Die meisten bauen auf ihren vorhandenen Ressourcen auf («brown-field»). Das betrifft nicht nur die bestehenden Bauten oder die Ausrüstung, sondern auch das Personal. Die Mitarbeiter werden weitergebildet oder umgeschult, um die neuen Technologien bedienen zu können.
Diese Tendenz kurbelt wiederum die Entstehung komplett neuer Geschäftsmodelle an. Sie verändert nicht nur die Produkte selbst, sondern auch die Lieferketten. Denn es wird mehr Kundenindividualität zugelassen und somit ein schnellerer und flexiblerer Go-to-Market-Prozess ermöglicht. Die Kunst dabei ist es, die Produktion mit dem Business zu verlinken, um auf diese Weise ein sinnvolles neues Geschäftsmodell entstehen zu lassen.
Für alle Unternehmensgrössen relevant
Ob man ein kleines oder grosses Unternehmen ist, spielt dabei keine entscheidende Rolle. Der Vorteil an den modernen Technologien ist es, dass sie für alle Unternehmensgrössen erreichbar sind. Sie sind in der Lage, Skaleneffekte für KMU und Flexibilität für Grossunternehmen zu erzeugen.
Der entscheidende Faktor ist ein anderer: Klug schlägt dumm. Wenn das Unternehmen das Wissen und den Mut hat, sein bestehendes Geschäftsmodell zu hinterfragen und es mithilfe von neuen Tools und neuen Fähigkeiten an die Kundenbedürfnisse anzupassen, hat es sehr gute Chancen im Markt zu überleben.
Autorin: Alina Besmer, Manufacturing B2B, Swisscom (Schweiz) AG