10. Februar 2022

Hinter den Kulissen der Arbeitsgruppe «Berufe der ICT»

«Berufe der ICT» blickt auf eine lange Historie zurück. In diesem Beitrag blicken wir hinter die Kulissen der traditionsreichen Arbeitsgruppe und beantworten Fragen wie: Wann ist ein Beruf ein Beruf? Was sind die Aufnahmekriterien? Und wie geht die Arbeitsgruppe mit Agilität um?

Die Arbeitsgruppe Berufe von swissICT gab seit 1986 während Jahrzehnten das Buch «Berufe in der Informatik» heraus und hat damit eine lange Tradition der Beschreibung von Berufen der Informatik in der Schweiz. Heute pflegen wir den Inhalt der Website berufe-der-ict.ch, die von swissICT betrieben wird.

Mit unserer Arbeit geben wir Informatiker:innen und Firmen einen Kompass durch den Dschungel des Informatik-Beschäftigungsfeldes in der Schweiz.

Grundsatzfragen

In der Arbeitsgruppe findet alle paar Jahre eine mehr oder weniger erbitterte Diskussion statt, was denn überhaupt ein «Beruf» sei. Dabei werden Argumente wie Ausbildung, Erfahrung, die Kombination von verschiedenen Tätigkeiten, Unterschiede zwischen Grossbetrieben und KMU und viele andere Argumente ins Feld geführt.

Wir haben uns aber bis jetzt immer zusammengerauft und eine eigene Definition für den Begriff gefunden: Ein Beruf ist das, was von Arbeitgebern als Umschreibung der Tätigkeiten von gesuchten Mitarbeitern in Stelleninseraten gebraucht wird. Als Folge davon sichten wir periodisch Stellenplattformen und schaffen uns einen Überblick über gesuchte Funktionen. Dies ist für uns ein wichtiges Kriterium für die Aufnahme neuer Berufe in die Liste der Berufe der ICT.

Konsequenterweise werden jedoch auch Berufe, die nicht mehr gefragt sind, wieder aus der Liste entfernen. Eines der wichtigsten Kriterien dafür ist die Anzahl der Nennungen von Berufen in der Salärumfrage von swissICT, welche auf unserem Werk basiert.

Um aber diese Berufe nicht einfach «verschwinden» zu lassen, werden sie ins Archiv verschoben. Damit stehen die Berufsbeschreibungen noch zur Verfügung, die notwendigen Kompetenzen werden jedoch nicht mehr aufgeführt und die Berufe in der Salärumfrage nicht mehr erhoben bzw. ausgewertet. Nach einiger Zeit (wir sprechen hier von mehreren Jahren) verschwinden sie dann auch aus der Liste der archivierten Berufe. 

Wie verändert sich die Liste der Berufe über die Zeit?

Immer wieder zu Diskussionen führen auch Berufe, die an der Grenze der «Kerninformatik» sind oder deren Berufsbild sich aus irgendwelchen Gründen verändert. Berufe, die zwar Informatik-Mittel intensiv nutzen, deren «Zweck» aber eigentlich ausserhalb der Informatik im engeren Sinn sind, möchten wir ganz bewusst nicht in unserer Berufe-Liste aufführen. Ansonsten müssten wir über kurz oder lang sehr viele Berufsbilder integrieren.

Ein Beispiel eines solchen Berufs ist der Webmaster. In der Buchausgabe vom Jahr 2000 haben wir den Webmaster neu aufgenommen. Damals standen Webmastern erst wenige Tools zur Gestaltung von Websiteszur Verfügung und es musste noch sehr viel programmiert werden. Die Webmaster hatten damals auch die technische Hoheit über ihre Websitesund damit grossen Einfluss auf deren Gestaltung und Betrieb. Aus diesem Grund haben wir uns damals entschieden, dass der Webmaster ein Beruf der Kerninformatik sei.

Im Laufe der Jahre entstanden neue Tools, welche es ohne vertieftes Informatik-Wissen möglich machten, selbst Websites zu erstellen, zu gestalten und zu publizieren. Mit der Ausgabe 2017 haben wir uns deshalb entschlossen, dass mit den neu vorhandenen Werkzeugen der Webmaster nicht mehr zur Kerninformatik zu zählen ist, sondern neu ein:e Informatik-Anwender:in sei. Aus diesem Grund wurde der Webmaster von der Liste der Berufe in den Pool archivierter Berufe verschoben. Er findet sich deshalb auch heute noch in der Internet-Version unseres Werkes in den archivierten Berufen.

Andere Berufe, welche die «alten Hasen» noch erlebt haben, wie zum Beispiel der Datentypist, sind dann auch irgendwann aus dem Archiv der Berufe gelöscht worden.

Das Beispiel des Webmasters zeigt auch, dass Berufe nicht etwas Statisches sind, sondern selbst eine gewisse Dynamik haben. Dies widerspiegelt sich auch darin, dass wir uns immer wieder fragen, wie sich denn ein Beruf von einer Rolle unterscheidet.

Diese Grenze kann nicht immer scharf gezogen werden. Vielfach ist ein Beruf «einfach» als die Zusammenführung verschiedener Rollen definiert. Dies trifft vor allem auf Informatiker:innen in KMU zu, deren Funktion sehr breit gefächert ist, aber weniger tiefe Kompetenzen verlangt.

2020 sind wir auch auf unsere bisherige Haltung zurückgekommen, IT-Anwender:innen-bezogene Berufe nicht aufzunehmen. Unsere Beobachtungen haben ergeben, dass das neue Berufsbild  Mediamatiker:in aktuell ebenfalls stark gesucht wird. Der Beruf Mediamatiker:in ist einerseits sehr Anwender:innen-bezogen, braucht aber spezifische technische Kenntnisse. Wir gehen davon aus, dass weitere solche Berufe entstehen und haben uns deshalb entschlossen, dafür einen neuen Bereich, denjenigen der «Anwender:innen-bezogenen Informatik», zu schaffen.

Die agile IT-Welt und deren Herausforderungen

Die neuen, agilen Berufsbilder stellen für die Arbeitsgruppe eine neue Herausforderung dar. Diese Berufsbilder sind aktuell sehr gefragt, passen dennoch nicht mehr ganz in die bisherigen Strukturen und sind meistens auf eine bestimmte agile Methode zugeschnitten.

Da wir in der Vergangenheit strikt darauf geachtet haben, dass wir spezifische Ausbildungen, Produkte und Methoden nicht in unsere Berufsliste aufnehmen, haben wir uns entschlossen, neben den traditionellen Bereichen Plan – Build – Run einen neuen Bereich, den Bereich der methodenbezogenen Berufe einzuführen. Dieser Bereich wurde Ende 2020 erstmals in der Web-Version eingeführt. Enthalten sind mehrere methodenbezogene, agile Berufsbilder. Weitere agile Berufsbilder sind derzeit bei uns in Diskussion und sollten die kommenden Monate auf unserer WebSite aufgeschaltet werden.

Bei der Analyse dieser neuen Berufe mussten wir auch feststellen, dass sich in der heutigen Arbeitswelt die Kompetenzen, bei denen wir uns bisher primär auf die fachlichen Kompetenzen fokussiert haben (22 fachliche, 6 stellenbezogene und 7 persönliche Kompetenzen) stark verlagert haben. Heute sind die fachlichen Kompetenzen zwar immer noch wichtig, aber aktuelle Arbeitsformen wie Teamarbeit usw. erfordern weitere Kompetenzen.

Da eine solche Anpassung grössere Veränderungen nach sich zieht, planen wir, diese Anpassungen im Rahmen von ganztägigen Workshops zu erörtern. Solche Fachgespräche würden den Rahmen unserer üblicherweise etwa 3-stündigen, zweimonatlich bis vierteljährlich stattfindenden, regulären Sitzungen sprengen. 

Wie grenzen wir die Liste der Berufe von Ausbildungslehrgängen und Abschüssen ab?

Ein ganz anderes Spannungsfeld liegt im Bereich der Anbieter von Ausbildungen: Es entstehen im Moment viele neue Lehrgänge im Bereich der sekundären Ausbildungsstufe II (z.B. neue Lehrabschlüsse) und der Tertiärstufe (z.B. neue Fachausweise, Fachhochschulabschlüsse, Weiterbildungstitel, etc.). Die Anbieter dieser Lehrgänge und Weiterbildungen sind verständlicherweise daran interessiert, dass ihre Abschlüsse in die Liste unserer Berufsbilder aufgenommen werden.

Unsere Position ist aber diejenige, dass wir möglichst stabile und breit gefächerte Berufsbilder abbilden möchten, was auch durch die Anliegen der Arbeitsgruppe Saläre, die auf unseren Beschreibungen basiert, unterstützt wird. Aus diesem Grund sind wir sehr restriktiv bei der Einführung neuer Berufsbilder und verhalten uns gegenüber Ausbildungsanbietern zurückhaltend, ohne aber deren Aspekte ausser Acht zu lassen.

Was ist mit anderen Werken, welche Berufsbilder beschreiben?

1986, als die Arbeitsgruppe gegründet wurde, gab es noch kaum Organisationen, die versuchten, Berufe genauer zu beschreiben. Unser Werk war deshalb beinahe «allein auf weiter Flur» und hatte Signalcharakter. Dies ist heute ganz anders: Verschiedenste Organisationen und Firmen beschreiben Berufe und die für deren Ausübung notwendigen Kompetenzen.

Leider sind diese Berufsbeschreibungen meist kaum miteinander vergleichbar. Und vielfach basieren Salärumfragen auf den zugehörigen Berufsbeschreibungen. Dies führt zu vielen Unsicherheiten bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern: Auf welcher Beschreibung basiert nun welcher Lohn? Sind diese Löhne demzufolge auch vergleichbar?

Wir versuchen, dem entgegenzuwirken, indem wir andere Systeme wie z.B. das European Competency Framework der EU konstant beobachten und uns an solchen Systemen so weit wie möglich zu orientieren. Da aber die Berufsbildung und damit auch die Arbeitswelt in der Schweiz vielfach nicht direkt mit derjenigen im Ausland vergleichbar ist, finden solche Anpassungen meist nur punktuell statt.

Wer arbeitet in der Arbeitsgruppe Berufe der swissICT mit?

Die Arbeitsgruppe ist deutlich älter als der Verband swissICT selbst, der 2000 gegründet wurde. Zwei unserer Mitglieder sind bereits seit der Gründung der Arbeitsgruppe dabei, andere sind im Laufe der Zeit dazu gekommen. Andere wiederum haben die Arbeitsgruppe nach kürzerer oder längerer Mitarbeit auch wieder verlassen. Im Moment besteht die Arbeitsgruppe aus etwa einem Dutzend Mitgliedern, die das Werk grösstenteils im Milizsystem pflegen.

Die fachlichen Hintergründe der Mitglieder sind sehr verschieden: Die einen Mitglieder kommen aus der Technik, andere aus dem HR-Bereich. Viele von uns haben in verschiedenen Branchen und unterschiedlichsten Betrieben gearbeitet. Auch von unseren Ausbildungen her sind wir sehr heterogen. Mit dieser Mischung streben wir an, die schweizerische IT-Arbeitswelt möglichst breit abdecken zu können.

Die Arbeitsgruppe ist immer offen für neue Mitglieder, die daran interessiert sind, die Arbeitswelt der Informatik in der Schweiz zu analysieren und mitzuprägen. Möchten Sie auch mitarbeiten? Dann melden sich gerne bei Giovanni Groppo, Leiter dieser Arbeitsgruppe (siehe Box Co-Autor).

Autor: Felix Fischer hat diesen Beitrag in enger Abstimmung mit der Arbeitsgruppe Berufe der ICT verfasst. 

Weiterführende Links

Die Arbeitsgruppe

Die Fachgruppe Berufe der ICT beobachtet das Gebiet der Ausbildung (Informatikfachleute und -anwender) und nimmt Stellung zu Problemen und in Vernehmlassungen. Sie bietet swissICT Mitgliedern auf Anfrage Hilfe in Fragen der Ausbildung sowie im Zusammenhang mit Berufsbildern, Funktionsbeschreibungen und Salärfragen.

Mehr zur Arbeitsgruppe

Die Plattform

Die Online-Plattform von «Berufe der ICT» ging 2018 an den Start. Anlässlich der Arbeitswelten-Konferenz wurde das neue digitale Angebot präsentiert.

Zur Plattform

Mit Ihrem Besuch auf unserer Website stimmen Sie unserer Datenschutzerklärung und der Verwendung von Cookies zu. Dies erlaubt uns unsere Services weiter für Sie zu verbessern. Datenschutzerklärung

OK