25. September 2020
Digital, agil, transformiert – eine kurze Philosophie des Business-IT Alignments
von Marcel Sieber, ZHAW
Stellen Sie sich die folgende Situation vor: In einer Kaffeepause während einer Konferenz stehen Sie nach einer brillanten Keynote mit ein paar Teilnehmern zusammen. Es werden ein paar schmeichelhafte Worte über die Konferenz und den Redner ausgetauscht. «Sicher, der Hauptredner hat Recht, die digitale Transformation ist ein Muss», sagt die erste Person. «Besonders für KMU, die innovativ und wettbewerbsfähig bleiben wollen», so die nächste. «Aber man braucht die richtigen Fähigkeiten und die richtige Strategie!»
So folgt ein Wort dem anderen. Schliesslich sind sich beide einig, dass «die IT eine entscheidende Rolle spielt», und dass vor allem «organisatorische Agilität der Schlüssel ist». Kennen Sie solche Gespräche? Und sind sie gelegentlich der Grund dafür, dass Sie zu den Leuten gehören, die keine Business Small Talks mögen? Dann sind wir schon mindestens zu zweit! Obwohl, so leer solche Sätze auch erscheinen mögen, so treffend sind sie doch!
Was macht «er» da?
In den letzten Jahrzehnten oder Jahrhunderten haben wir viele technologische Veränderungen und damit verbundene Innovationen erlebt. Die Entdeckung der physikalischen Eigenschaften der Halbleiter in integrierten Schaltungen ist vielleicht eine der bahnbrechendsten Entwicklungen. Schauen Sie sich Ihr Gerät an. Es begleitet Sie durch den Arbeitstag und in der Freizeit. Ziemlich oft personifizieren wir es.
Nun, ein Smartphone etwa, ist ein «es», Computer und Laptops sind ein «er». Viele der manchmal recht merkwürdigen Vorfälle oder Fehlermeldungen kommentieren wir mit einem «Was macht er denn da schon wieder?» Richtig? Sind wir uns bewusst, dass wir diesen Technologien mittlerweile fast blind vertrauen oder sogar von ihnen abhängig sind? Wenn ja, wie kommt es dann, dass wir die Arbeit von IT-Abteilungen, -Teams oder -Lösungsanbietern als quasi selbstverständlich ansehen?
Die Sache mit dem Klische über ITler
Sie sind Experten für Digitalisierung und agile Transformationen, aber wir fragen sie nicht nach ihrer Meinung. Sie sollen gefälligst gut funktionierende und kostengünstige IT-Dienstleistungen anbieten, mehr nicht. Nun, IT-Fachleute sind nicht heilig. Wir alle kennen wahrscheinlich Beispiele von unflexiblen, eigensinnigen Typen. Ja, sie sind zumeist männlich und sagen uns regelmässig, dass dies und das nicht möglich ist und dass sie uns ohne Ticket wirklich nicht helfen können.
Da ist es schwer zu glauben, dass die IT für das Business etwas Gutes tut. Sie haben es aber auch nicht anders gelernt; in Unternehmen mit einer entsprechenden Kultur muss die IT in ihrem Keller sitzen und die nötige Infrastruktur bereitstellen.
Mehr Familien-«Gefühl»
Ganz so schlimm ist es vielleicht nicht mehr. Aber völlig anders gestaltet sich das ganze aus der Perspektive einer grossen Familie. Kennen Sie das Gefühl in spannenden Projekten, wenn Menschen zusammenhalten, Höhen und Tiefen durchleben und aktiv kommunizieren und zusammenarbeiten? Nennen wir es einen «Clan»; wenn die IT ein Teil eines solchen Clans ist, werden die Herausforderungen der Digitalisierung auf einer ganz anderen Ebene diskutiert.
Wahrscheinlich sind die gefundenen Lösungen dann nachhaltiger, und die Beziehungen zwischen der IT und dem Business besser – dasselbe gilt für Innovationen. Die Firma hat vielleicht eine Vision, wie sie von neuen Technologien profitieren könnte. Als Spezialistin auf diesem Gebiet, mit Unternehmergeist sowie einer risikofreudigen und experimentierfreudigen Denkweise könnte die IT helfen – wenn das Unternehmen sie neue Lösungen entwickeln lässt.
Hierarchie ist nicht nur schlecht
Desweiteren kann die IT das Unternehmen in seinem Wettbewerbspotenzial unterstützen; dies funktioniert, wenn IT und Unternehmen eine ergebnis-, gewinn- und produktivitätsorientierte Kultur verbindet. Und schliesslich, obwohl die Hierarchiekultur ein etwas schlechtes Image hat, wird eine erstklassige Servicequalität mit einem vernünftigen Blick auf Kosten und Effizienz ebenfalls sehr begrüsst. Eine solche Hierarchiekultur kann Hand in Hand gehen mit einer perfekten Ausrichtung von Business und IT in einer kollaborativen Clan-Kultur, einer kreativen Adhoc-Kultur und einer wettbewerbsorientierten Marktkultur.
Nun, was würden Sie am Ende des Tages in der oben genannten Konferenzpause sagen? Ich überlasse Ihnen die Entscheidung, ob Sie über Kultur und strategische Ausrichtung diskutieren oder lieber mit einem Lächeln auf den Lippen Ihren Kaffee geniessen möchten.
Unsere Studie
Wenn Sie zu einer unabhängigen Studie über Organisationskultur und Business-IT-Alignment beitragen möchten, bitte ich Sie, bis am 31. Oktober 2020 an meiner Umfrage teilzunehmen: www.itculture.org. Die Umfrage mit dem Titel «Organisationskultur und IT-Management im Zeitalter der Digitalisierung» richtet sich an Projektleitende, Mitarbeitende aus der Linie, im Marketing, im HR, in der Produktion oder bei Finanzen & Services.
Bild: Annie Spratt / Unsplash.com
Autor: Marcel Sieber ist Senior Research Associate IT Strategy & Management bei der ZHAW.
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