14. Oktober 2024
«Die Salärstudie soll die dynamischen Veränderungen der Arbeitswelt abbilden»
Was hat Sie dazu bewogen, die Leitung der Arbeitsgruppe «Saläre» zu übernehmen?
Urs Gurtner: Es ist für mich eine Ehre, die Arbeitsgruppenleitung zu übernehmen. Ich bin seit fünf Jahren aktiv in der Arbeitsgruppe dabei. Die Salärstudie begleitet mich bereits seit 15 Jahren in meiner beruflichen Laufbahn und hat mich immer wieder bei meiner Arbeit unterstützt. Ich bin überzeugt, dass die Salärstudie auch weiterhin eine wichtige Rolle in der Schweizer HR-Landschaft spielen wird und freue mich darauf, gemeinsam mit der Arbeitsgruppe die Studie weiterzuentwickeln und sie noch besser an die Marktbedürfnisse anzupassen.
Welche Ziele haben Sie sich für die Arbeitsgruppe in den nächsten Jahren gesetzt?
In den kommenden Jahren möchte ich mit der Arbeitsgruppe die Salärstudie fit für die Zukunft machen. Die Arbeitswelt wandelt sich rasant. Das spiegelt sich auch in den Anforderungen an unsere Studie wieder. Gemeinsam mit der Arbeitsgruppe «Berufe» wollen wir sicherstellen, dass die Salärstudie die neuen Arbeitsrealitäten und die damit verbundenen Veränderungen in der Entlohnung präzise abbildet. Es ist mir ein Anliegen, dass die Salärstudie auch weiterhin ein verlässlicher Begleiter für Unternehmen, Organisationen und Mitarbeitende ist.
Wie sehen Sie die aktuelle Situation des ICT-Arbeitsmarktes in der Schweiz in Bezug auf Löhne und Gehälter?
Die aktuelle Situation ist geprägt von einer gewissen Stagnation der Reallöhne, insbesondere wenn man die starken Zuwächse der Vergangenheit betrachtet. Die Gründe sind vielfältig: von der Altersstruktur über regionale Unterschiede bis hin zu den Auswirkungen der Teuerung. Dennoch gibt es Bereiche, in denen hohe Löhne gezahlt werden – insbesondere für stark nachgefragte Spezialisten. Die Herausforderung besteht darin, diese komplexen Zusammenhänge in der Salärstudie angemessen abzubilden.
Wer sind die momentan gesuchten ICT-Fachkräfte?
Die Nachfrage nach ICT-Fachkräften ist weiterhin hoch, wobei sich die gefragten Profile in den letzten Jahren deutlich verändert haben. Während agile Rollen in der Vergangenheit stark im Fokus standen, hat sich die Bedeutung von Cybersecurity-Experten in den letzten Jahren enorm erhöht. Die zunehmende Digitalisierung und die damit verbundenen Sicherheitsrisiken treiben diesen Trend voran. Auch Spezialisten für SAP-Systeme, insbesondere für die neue S/4HANA-Plattform, sind nach wie vor stark gefragt. Die Verfügbarkeit dieser Profile ist jedoch begrenzt, was zu einem angespannten Arbeitsmarkt in diesem Bereich führt.
Haben wir nun eine Fachkräftemangel in der IT oder nicht?
Die Frage nach einem Fachkräftemangel in der IT lässt sich nicht pauschal beantworten. Während in einigen Bereichen ein Überangebot an hochqualifizierten Spezialisten besteht, kämpft die Branche wie andere auch mit einem allgemeinen Mangel an verfügbaren Arbeitskräften.
Auch immer wieder im Fokus von Diskussionen im HR-Bereich ist die Lohntransparenz. Wie steht es um diese?
Die Forderung nach mehr Lohntransparenz in Unternehmen wird immer lauter. Jedoch ist sie auch ein zweischneidiges Schwert. Während Transparenz grundsätzlich zu mehr Vertrauen und Zufriedenheit beitragen kann, ist sie gleichzeitig ein sensibles Thema. Studien zeigen, dass vollständige Lohntransparenz nicht zwangsläufig zu höherer Zufriedenheit mit dem eigenen Salär führt. Im Gegenteil, sie kann sogar zu Unzufriedenheit führen, wenn Mitarbeitende feststellen, dass Kolleg:innen mit ähnlichen Aufgaben ein höheres Salär beziehen.
Wichtiger als die Offenlegung aller individuellen Löhne ist es, den Entlohnungsprozess transparent zu gestalten. Mitarbeitende sollten verstehen, nach welchen Kriterien ihre Bezahlung festgelegt wird und wie sich ihre Leistungen auf ihren Lohn auswirken. Eine offene Kommunikation über die Grundsätze der Entlohnung und die Möglichkeit, individuelle Fragen zu klären, sind hierbei entscheidend.
«Die Salärstudie hat mich durch meine gesamte berufliche Laufbahn begleitet und ist ein unverzichtbares Instrument für die Schweizer HR-Landschaft.»
Es ist noch nicht lange her, da wurden erstmals in der Salärstudie die Löhne der Lernenden erhoben. Wie entscheidend ist der Einstiegslohn für Schulabgänger?
Junge Berufseinsteiger:innen wollen wissen, welche finanziellen Perspektiven sich ihnen nach der Ausbildung bieten. Zudem signalisiert das Einstiegsgehalt, wie attraktiv ein Beruf und ein Unternehmen sind. Die hohe Nachfrage nach jungen Arbeitskräften führt in vielen Branchen zu steigenden Einstiegslöhnen. Allerdings spielen neben dem Gehalt auch das gesamte Arbeitsumfeld und attraktive Benefits eine wichtige Rolle. Besonders in der ICT-Branche bieten sich für junge Berufseinsteiger:innen interessante Entwicklungsmöglichkeiten und attraktive Verdienstperspektiven. Dies spiegelt sich nicht nur in den Gehältern wider, sondern auch in den vielfältigen Karrierechancen.
Welche Herausforderungen sehen Sie für die Arbeitsgruppe «Saläre» in der Zukunft?
Die Arbeitsgruppe «Saläre» muss sich auf einen sich ständig verändernden Arbeitsmarkt einstellen und passende Angebote für Unternehmen/Organisationen unterschiedlicher Grösse entwickeln.
Wie kann die Arbeit der Arbeitsgruppe «Saläre» dazu beitragen, die Attraktivität des ICT-Sektors für Fachkräfte zu erhöhen?
Unsere Studie ermöglicht es Unternehmen, ihre eigenen Entlohnungsstrukturen zu analysieren und Ungleichgewichte zu identifizieren. So können wir dazu beitragen, Lohngerechtigkeit zu fördern und den ICT-Sektor als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren.
Was ist neu an der Salärstudie 2024?
Die Salärstudie 2024 präsentiert sich in einem völlig neuen Gewand. Neben einem frischen Design, das die Lesbarkeit deutlich verbessert, bieten wir erstmals auch eine französische Version an.
Wieso das Redesign?
Das neue Design sorgt für eine bessere Übersicht und ermöglicht es den Lesenden, die wichtigsten Erkenntnisse schnell und einfach zu erfassen. Die Nutzer:innen können sich nun besser auf die wesentlichen Informationen konzentrieren.
2023 wurde erstmals der Employer Conditions Report erhoben. Wie kam dieser in der Branche an?
Die Rückmeldungen waren durchweg positiv. Durch die jährliche Erhebung und Analyse des ECR können wir langfristige Trends identifizieren und Unternehmen sowie Organisationen so wertvolle Erkenntnisse über die Entwicklungen im Arbeitsmarkt liefern. Neben reinen Salärdaten gewinnen Aspekte wie Urlaubstage, Homeoffice-Regelungen und weitere Zusatzleistungen zunehmend an Bedeutung. Der ECR bietet eine umfassende Grundlage, um die Arbeitgeberattraktivität zu steigern und die Bedürfnisse der Mitarbeitenden besser zu verstehen.
Was ist neu beim ECR in diesem Jahr?
Neu sind die Fragen zu Mutter- und Vaterschaftsurlaub, unbezahltem Urlaub und Workation, die auch die aktuellen Trends am Arbeitsmarkt widerspiegeln. Der ECR wird sich kontinuierlich weiterentwickeln und auf neue Herausforderungen und Bedürfnisse eingehen. Ich kann mir gut vorstellen, bald das Thema «Langzeitkontingente» für Ferien oder Arbeitszeit aufzunehmen.
Zum Schluss, welche täglichen Herausforderungen erleben Sie im HR?
Die grösste Herausforderung liegt darin, in einer sich ständig verändernden Arbeitswelt die Attraktivität unseres Unternehmens zu sichern. Wir müssen stets darauf achten, die richtigen Ressourcen zur richtigen Zeit am richtigen Ort einzusetzen. Die Dynamik der Arbeitswelt erfordert eine hohe Flexibilität und eine proaktive Personalplanung.