27. Januar 2020
Auch mit 65 noch nicht reif für die Pensionierung
Wobei wir uns alle wohl einig sind, dass es «den Informatiker» nicht wirklich gibt. Nicht umsonst ist der Titel der Informatikerin auch nicht geschützt und jeder kann sich mit dieser Bezeichnung schmücken. Waren es in den 80er-Jahren vor allem Quereinsteiger, die den Bedarf des Marktes deckten – seien dies Hochschulabsolventinnen aus technologienahen Studiengängen oder auch Maturanden oder Absolventinnen einer völlig fachfremden Berufslehre, die in Umschulungs- und Weiterbildungskursen zu Informatikern gemacht wurden –, so haben wir heute eine solide Basis. Von der Berufslehre über die höhere Berufsbildung zur Fachhochschule oder Universität.
Eine solche Erstausbildung ist aber nur der Anfang einer langen Reise. Einer anspruchsvollen Reise. Denn während sich in den meisten Berufen die Anforderungen nur graduell ändern – und ich meine damit nicht nur Altphilologen –, so hat eine Informatikerin in den letzten 30 Jahren Veränderungen erlebt, die mit Fug und Recht das Wort «disruptiv» verdienen. Dass mit der technologischen Disruption auch eine entsprechende Entwicklung der Wirtschaft und des Alltagslebens einhergeht, wissen wir alle.
Es ist also eine wahre Kunst, hier ein Arbeitsleben lang am Ball zu bleiben und bis 65, oder – wenn die demografische Entwicklung so weitergeht – auch noch länger, dabei zu sein. Dies zu erreichen, nämlich der Wirtschaft kompetente Fachkräfte zur Verfügung zu stellen und die Unternehmen und Mitarbeiterinnen im technologischen Wandel zu begleiten, ist seit Bestehen von swissICT unser oberstes Ziel. Wir machen dies, indem wir den Erfahrungsaustausch unter Spezialisten in unseren Fachgruppen, an Symposien, Tages- und Abendveranstaltungen, in Publikationen und online sicherstellen. Als Trägerschaft von i-ch, der Vorläuferorganisation von ICT-Berufsbildung Schweiz, haben wir Verantwortung für die Grund- und höhere Berufsbildung in der Schweiz übernommen.
In den letzten zwei Jahren haben wir nun, zusammen mit der SI, das Thema lebenslanges Lernen auch formal etabliert und haben die 3L Informatik ins Leben gerufen. Die 3L Informatik will Informatikerinnen ein Leben lang begleiten und ihnen helfen, ihre Kompetenzen zu prüfen und gezielt in die persönliche Weiterentwicklung zu investieren, damit nicht plötzlich mit 50 Jahren Schluss ist, sondern die lebenslange Arbeitsmarktfähigkeit gesichert bleibt. Nur wenn wir dies schaffen, können wir junge Menschen für diesen Berufsstand gewinnen.
Es sind aber nicht nur Informatiker und Unternehmen, die sich in den letzten Jahren weiterentwickeln mussten. Auch unser Verband musste dies tun und hat dies erfolgreich getan. Das Jahr 2020 ist nämlich ein ganz besonderes Jahr für swissICT. Wir feiern dieses Jahr ein doppeltes Jubiläum.
Der Name swissICT wird zwar erst 20 Jahre alt, unser Verband aber feiert sein 65-jähriges Bestehen. Im Jahr 1955 wurde der Wirtschaftsinformatiker Fachverband (WIF) gegründet, der im Jahr 2000 mit der Schweizerischen Vereinigung für Datenverarbeitung (SVD, gegründet 1968) fusioniert wurde. Dass swissICT auch heute noch der mitgliederstärkste Verband der Branche ist und keinerlei Ermüdungserscheinungen aufweist, zeigt, dass lebenslanges Lernen möglich ist. Am 31. Dezember 2019 um Mitternacht habe ich mein Champagnerglas erhoben, um mich nicht nur auf das neue Jahrzehnt zu freuen, sondern ganz besonders allen Menschen von Herzen zu gratulieren, die swissICT möglich gemacht haben. Ich freue mich jetzt schon auf diesen 65-jährigen Geburtstag, und dies ohne einen Gedanken an die Pensionierung zu verschwenden.
Thomas Flatt ist Präsident swissICT, Unternehmer, Berater und Verwaltungsrat (darunter Verwaltungsratspräsident der SwissSign Group, welche die SwissID herausgibt)
(Diese Kolumne «Seitenblick» erschien erstmals im swissICT Mitgliedermagazin vom Januar 2020 und muss nicht die Meinung von swissICT wiedergeben.)